Der Haushalt 2017

Haushaltsrede 2017
Haushaltsrede 2017 der FDP, gehalten in der Ratssitzung am 15.12.2016
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Rates,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
sehr geehrte Damen und Herren der Presse,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger von Meerbusch,
vor ein paar Wochen haben Sie, Frau Bürgermeisterin, den Haushalt für das Jahr 2017 vorgestellt, also den mit der „schwarzen Null“. Den krönten Sie mit den Worten: „Damit stehen wir bestens da.
Wir können stolz sein.“ Wir von der Fraktion der Freien Demokraten haben uns intensiv mit dem Thema „schwarze Null“ beschäftigt und da gibt es also ein fast gleichnamiges Buch des
Wissenschaftlers Lukas Haffert von der Universität Zürich, aus dem ich mir erlaube einige Passagen zu zitieren:
„Die symbolische Überhöhung der schwarzen Null weckt ... nicht nur falsche Hoffnungen. Sie verengt den Maßstab für die Bewertung der Haushaltspolitik ... auf eine einzige Kennziffer nämlich auf
den Haushaltssaldo. ... Gute oder schlechte Haushaltspolitik, so die Botschaft, sei am Ende allein die Frage der Differenz zwischen den Ausgaben und den Einnahmen. Der Saldo allein sagt jedoch
fast nichts über einen Haushalt aus. ... Denn nur wenn man hinter die Fassade der schwarzen Null blickt, ist es möglich, die Nutzen und die Kosten dieser Politik angemessen gegeneinander
abzuwägen.“
In diesem Sinne hat unsere Fraktion versucht, Ihre „Schwarze Null“ zu verstehen. Und nicht nur zu verstehen, sondern eben auch zu hinterfragen, ob denn die Maßnahmen hinter den Zahlen zielführend
und nachhaltig sind. Ein hilfreicher Faktor, um in der Unsumme an Zahlen Orientierung zu gewinnen, sind die Kennzahlen und auch die innere Verrechnung. Leider mussten wir feststellen, dass die
numerische Kreativität der Verwaltung so hoch ist, dass ein einfaches und konsequentes Nutzen dieser Zahlen zum Zwecke der jahresübergreifenden Vergleiche faktisch unmöglich ist. Das ist nicht
nur unbefriedigend und zeitraubend, sondern schlicht und ergreifend ärgerlich. Schönstes Beispiel: Die von uns immer wieder als erstes Sparobjekt anvisierte städtische Musikschule hat im neuesten
Haushalt auf wundersame Weise den Zuschussbedarf pro Schüler wieder um knapp 100€ vermindert, obwohl sich an den Kostenursachen nichts – rein garnichts – geändert hat. Und solcher Beispiele gäbe
es noch eine ganze Reihe mehr.
Da wird man einfach das Gefühl nicht los, dass das vorgelegte Zahlenwerk mehr der Verwirrung dient denn der Transparenz und das ganz im Sinne von Lukas Haffert: Es soll eben unterm Strich nur die
„schwarze Null“ symbolisiert stehen ohne die dazugehörigen strukturell nachhaltigen Maßnahmen. Schon die aktuellen Zahlen aus 2016 zeigen, wie schwierig es ist, Planwerte einzuhalten, wenn man
auf zahlreiche äußere Parameter angewiesen ist. Ursprünglich waren 2,7 Mio € Fehlbetrag geplant, nun werden es wohl eher 4,5 Mio €. Wie schafft man dann 1 Jahr später den Sprung um fast 5 Mio €
in positive Richtung? Wir müssen einfach bezweifeln, dass auch eine noch so gut gemeinte Null für 2017 in die Realität umgesetzt werden kann. Börsianer würden hier wohl von einem volatilen Markt
sprechen. Wir machen uns sehr stark abhängig von äußeren Faktoren – das kann mal gut gehen und auch mal schief. Solide ist das nicht. Überspitzt könnte man sagen: „Die Schwarze Null war nicht
geplant, sie ist einfach passiert.“
Strukturell nachhaltig – und das ist nun seit Jahren gut zu erkennen – wirken nur begleitende Maßnahmen, die letztlich mit einer Wirkung über einen langen Zeitraum die Personalausgaben reduzieren
oder zumindest stabilisieren. Denn hier alleine finden sich 2 Mio Mehrausgaben ggü. 2015 und wir befinden uns mittlerweile auf einem Wert von über 37 Mio €. Was wir für absolut notwendig halten
in Abwandlung des wirklich überflüssigen Stadtentwicklungskonzeptes ISEK ist ein IPEK: Ein Innovatives Personal Entwicklungs Konzept! Und das entspräche auch den Empfehlungen der
Gemeindeprüfungsanstalt NRW. Prüfung von Leistungsumfängen, Verschieben von Schwerpunkten, Digitalisierung, optimierte Organisation und Prozessabläufe und an der ein oder anderen Stelle der
Abschied von lieb gewonnenen Gewohnheiten fallen idealerweise zusammen mit dem allgegenwärtigen demographischen Wandel. Nahezu jeder vierte Mitarbeiter der Verwaltung wird in den nächsten 10
Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Nutzen wir das als Chance! Nur so kann ein nachhaltiger Schuldenabbau gelingen. Beispiele dazu könnten die optimierten Öffnungszeiten der Bürgerbüros
sein, ein verändertes Angebot bei Bibliotheken und VHS oder auch smarte Kooperationen für die städtische Musikschule. Denn hier ist auch ein Zuschuss von über 500€ pro Schüler ohne interne
Leistungsumlage immer noch viel zu hoch. Was VHS und Bibliothek angeht, so erhoffen wir uns von der kommenden VHS Leiterin neue Impulse. Veränderungen im Angebot als Reaktion auf Veränderungen in
der Nachfrage sind schon erkennbar, aber das sollte sich deutlich dynamisieren.
Denn Bildung ist und bleibt der wichtigste Rohstoff von Deutschland, NRW und Meerbusch. Zugleich sind wir aber auch davon überzeugt, dass man zum Glücklichsein nicht unbedingt Abitur
braucht. Trotzdem versuchen immer mehr Schüler in Meerbusch diesen Weg, obwohl wir mit unserer Realschule eine gute Alternative vorweisen. Leider wird das nicht immer so wahrgenommen und so ist
es richtig, hier das Informationsangebot zu verbessern. Wir meinen aber auch, dass man nicht zu lange hinwarten sollte, bis ein Gesamtkonzept für die weiterführenden Schulen steht. Wir hatten für
eine deutliche Erhöhung der Lehrmittel an der Realschule plädiert, das erschien allen anderen zu früh. Wir meinen, dass wir an dieser Stelle nicht unnötig Zeit verlieren sollten. Die FDP Fraktion
bedauert nicht nur das Ende der Hauptschule sondern befürchtet auch das langsame Aus für die Realschule. Die Zusatz-Mittel aus dem Landes-Programm „Gute Schule 2020“ sollten hier auch wirklich
als Zusatz-Mittel verwendet werden. Denn wir wissen alle, dass Neu-und Umbaumaßnahmen für weitere Gesamtschulkapazitäten sehr viel Geld kosten werden. Und auch dafür brauchen wir im Zweifel eine
Reduzierung der anderen Ausgaben im Haushalt, um an dieser wichtigen Position aktiv und frühzeitig agieren zu können. Denn noch einmal gesagt: Schule ist nicht nur Pflichtprogramm für die Stadt:
Was früher Kohle und Stahl für das Land bedeutete, das bedeuten heute Schulen und andere Bildungseinrichtungen.
Ein gelungener Antrag findet sich allerdings im Haushalt. Nämlich das Schülerpraktikum für Politik nach Viersener Vorbild. Das ist eine gute Sache. Wichtig ist allerdings, dass das eine Ergänzung
zu dem wird, was alltäglich notwendig ist. Wir als Vertreter der Politik in Meerbusch sollten uns immer wieder mit Schülern und Jugendlichen über ihre Anliegen austauschen. Es ist ja nicht so,
dass diese immer so sprachgewand sind wie wir, sie haben auch in der Regel wenig Ahnung von den großen Hürden, die so manche Bauplanung nehmen muss. Es ist aber auch unsere Aufgabe, ihnen ein
Vorbild zu sein in Wortwahl, Verhalten und der Bereitschaft, sich gegenseitig zuzuhören und ernst zu nehmen. Das ist vielleicht für den ein oder anderen von uns ein guter Vorsatz für das neue
Jahr.
Im Themenfeld der Jugendpartizipation hat Meerbusch die Chance, eine Vorzeige-Kommune zu werden. Und warum sollte man nicht anstreben, auf anderen Feldern auch eine Vorzeige-Kommune zu werden.
ÖPNV und Radwegenetz sind so ein Feld. Dort sind sich Verwaltung und die Mehrheit im Rat einig, den richtigen Schwerpunkt zu setzen. Man sollte aber nicht außer Acht lassen, dass sich aus
technischer Sicht bei der Mobilität eine ganze Menge tut. Moderne Smartphones mit ihren Apps bieten durchaus eine Menge Potential und die Automobilhersteller sind schwer auf dem Trip in Richtung
Car Sharing und ähnlichen Modellen unterwegs. Das kann auch für Kleinbusse gelten. Das kann insbesondere auch für elektrifizierte Kleinbusse gelten. Wir hören und lesen viel von Modellen in
größeren Städten. Aber warum sollte das nicht auch etwas für eine mittelgroße Stadt wie Meerbusch sein. Es ist also nicht allzu abwegig, mittelfristig neben den klassischen ÖPNV Strukturen auch
mal über ganz neue Modelle nachzudenken. Das könnte nicht nur im Sinne des andiskutierten „Meerbusch-Express“ sein, sondern möglicherweise auch motivierend für all die Meerbuscher, die sonst mit
ihrem Auto komfort-verwöhnt im Stau stehen.
Und was für Jugendliche gilt, das gilt im Übrigen für die Erwachsenen auch. Wir lehnen das Bürgergeld in der eingebrachten Form ab. Denn eigentlich ist es nur ein Deckmantel für kleine Ausgaben,
die man an und für sich auch so regeln könnte. Der richtige Schritt ist die Online-Partizipation, also das Einbringen von Bürgerwünschen sowie das gemeinsame mehrheitliche Abstimmen und Umsetzen
von dann durchaus auch größeren Projekten als 5.000 Euro. Bürgerhaushalt, Online-Partizipation und kommunales Crowdfunding sind nur einige Schlagworte, die einen Einblick geben auf eine moderne
zukunftsorientierte Bürgergesellschaft.
Zu einer modernen Stadt gehört auch eine moderne Verwaltung! Zu einer modernen Verwaltung gehört eine moderne Organisation und zu einer modernen Organisation gehört auch ein moderner
Führungsstil. Dazu gehört der Mut zum Delegieren von Verantwortung – das macht schlank und kreativ! Auch das ist Teil unseres Innovativen Personal Entwicklungs Konzeptes.
Nun kommen wir wieder zurück zu den etwas konventionelleren Themen. Das wären beispielsweise das interkommunale Gewerbegebiet, das JuCa und Haus Meer.
Zu letzterem haben wir in den letzten Jahren stets den Antrag gestellt, 1 Mio. € für den Ankauf vorzusehen. Darauf haben wir in diesem Jahr verzichtet. Der Grund ist offensichtlich: Herr Soliman hat das Areal gekauft. Wir hätten entsprechend unserer langjährigen Forderung einen Kauf durch die Stadt begrüßt. Noch steht nicht fest, wie das Gelände vom neuen Eigentümer genutzt werden wird. Wir stehen dem Eigentümer konstruktiv gegenüber, wollen uns an dem Diskussionsprozess beteiligen und gehen davon aus, dass er sich strikt an die bekannten denkmalpflegerischen Vorgaben hält. Wir sind auch für jede verträgliche Nutzung offen, wünschenswert wären kulturelle Elemente. Von besonderer Bedeutung für uns ist, dass die öffentliche Nutzung des Parks auf Dauer gesichert werden kann. Überrascht hat uns allerdings die Aussage des neuen Eigentümers in der RP vom 29.9.2016: “Denn irgendwann müsse sich sein Invest wirtschaftlich auszahlen, so der Unternehmer. Er hofft, dass das über einen Mix aus Mitteln des Fördervereins, Spenden und öffentlichem Zuschuss klappt.” Da erlauben wir uns natürlich die Frage: Was kommt da auf die Stadt zu ?
Nun zum JugendCafè, dem JuCa in der Halle 9. Es ist mittlerweile anerkannt, dass ein guter Teil der Veranstaltungen des JuCa's nicht in den Bereich der offenen Kinder-und Jugendarbeit fallen;
etliche Veranstaltungen richten sich primär an Erwachsene. Das entspricht aber keinesfalls der Budgetierung, denn die geht zu 100% in die Jugendhilfe. Das muss sich ändern. So haben wir den
Antrag gestellt, 50.000€ des Zuschusses in eine Budgetposition für „Erwachsene“ im Produktbereich „Kultur“ zu transferieren. Wenn es uns gemeinsam in absehbarer Zeit nicht gelingen sollte, das
Konzept so zu ändern, dass es wirklich überwiegend die Zielgruppe anspricht, so müssen wir einfach der Ehrlichkeit halber und auch aus Gründen der Transparenz, eine faire Budgetzuordnung
umsetzen. Um das nochmal klar zu machen: Wir wünschen uns bei gleichbleibendem Jugend-Budget attraktivere Jugend-Projekte verteilt in allen Stadtteilen.
Und schließlich das interkommunale Gewerbegebiet. Wir haben bisher nicht ein einziges überzeugendes Argument für dieses Monstrum gehört. Die ewig wiederholte Begründung, der Anteil der
Gewerbefläche am Gesamtstadtgebiet sei sehr gering im Vergleich zu anderen Kommunen, ist absurd. Relevant ist vielmehr der Gewerbesteuerertrag pro ha Gewerbefläche – und da steht Meerbusch gut
da. Offenbar sehen das auch viele andere Ratskollegen so, denn die Abstimmung über die Weiterverfolgung des Projekts fiel denkbar knapp aus (24:23). Wir erinnern uns. Wir sind durchaus für
Gewerbegebiete, aber dem realistischen Bedarf von Meerbusch angemessen, also etwa in der Größe von 17 bis 29 Hektar, aber strikt gegen die Übergröße und gegen die Interkommunalität mit Krefeld.
Wir sind davon überzeugt, dass Meerbusch dort erstmal ordentlich Geld reinbuttern wird, gegenüber Krefeld am kürzeren Hebel sitzt und -wenn überhaupt -Gelder erst in ferner Zeit zurückfließen
werden.
Lassen Sie uns ein Résumé ziehen. Auf der Haben-Seite stehen:
- Die Null als Zwischenetappe zum Schuldenabbau
- Die Maßnahmen bei ÖPNV und Radwegenetz
- Einige Initiativen, die wir gerne unterstützen
Auf der Soll-Seite stehen:
- Ein volatiles Zahlengerüst
- Wenig Neigung zu Transparenz
- Kein erkennbarer Ansatz zu nachhaltigen Strukturänderungen
- Immer noch eine ganze Reihe von unnötigen Ausgaben
Wir haben uns die Abwägung auch dieses mal nicht leichtgemacht. Letztendlich sind wir aber zu dem Schluss gekommen, dass ein substantieller Fortschritt nicht erkennbar ist und damit die schöne
„Null“ mehr Makulatur als Realität. Daher werden wir dem Gesamthaushalt auch in diesem Jahr nicht zustimmen. Aber, Frau Bürgermeisterin, wir sind bereit, eine Wette mit Ihnen einzugehen: Falls es
sich erweisen sollte, dass die vorgelegten Planzahlen in 2017 tatsächlich so Realität werden, dann werden wir dem Haushalt 2018 zustimmen. Versprochen! Das schöne daran ist, dass ich jetzt schon
weiß, wie unsere Rede im nächsten Jahr anfangen wird.
Das könnte nun der Abschluss dieser Rede sein, aber eines möchte ich doch nicht versäumen. Und es bildet auch bewusst den Abschluss. Letztes Jahr an dieser Stelle begann meine Rede mit einem
großen Dank an die Verwaltung, die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen, die sich für Flüchtlinge eingebracht haben. Und das möchte ich natürlich auch im Namen meiner Fraktionskollegen und aller
Mitglieder der Freien Demokraten Meerbusch für das abgelaufene Jahr wiederholen. Danke! Es ist durchaus so, dass im letzten Jahr der Fokus auf die Flüchtlinge sehr sehr groß war und man manchmal
den Eindruck hatte, das wäre jetzt nicht mehr ganz so bedeutsam. Aber natürlich wissen wir alle, dass dem nicht so ist. Es ist eine weiterhin anspruchsvolle und anstrengende Aufgabe, aber auch
eine motivierende. Es ist es sicher so, dass all diejenigen, die über diese lange Zeit an dem Thema drangeblieben sind, noch ein Sonder-Lob verdienen. Denn schnell mal mitmachen, das sagt sich
leicht. Dranbleiben spricht für Überzeugung. Und davon lebt generell das Ehrenamt, so wie wir im Rat hier auch alle ein Ehrenamt ausüben. Und der Begriff intendiert schon, dass das auch was mit
Ehre und Respekt zu tun hat.
In diesem Sinne wünscht die FDP-Fraktion Ihnen allen hier im Foyer sowie allen Meerbuscherinnen und Meerbuschern viele liberale Gedanken über die Feiertage, ein Frohes Fest und einen Guten Rutsch
in das bedeutsame Wahljahr 2017.
Ralph Jörgens
Es gilt das gesprochene Wort !